Dienstag, 5. April 2011

Liberalismus und innerparteilicher Wettbewerb

Blockpartei FDP

Nachdem Westerwelle bekannt gab, nicht mehr für den Parteivorsitz der FDP zu kandidieren, ist die Suche der FDP nach einem Nachfolger auch schon vorbei, bevor sie für irgendwen, der seinen Alltag außerhalb von Hinterzimmern verbringt, überhaupt begonnen hatte:

Philipp Rösler kandidiert für den FDP-Parteivorsitz. Darauf einigten sich am Dienstag das Parteipräsidium und die Landesvorsitzenden der FDP.
Selbst aus den desaströsen Wahlergebnissen lernt die FDP nichts dazu. Kommt eigentlich keiner bei den "Liberalen" auf die Idee, dass sie momentan so grauenvoll abschneiden, weil sie als liberale Partei nicht mehr erkennbar sind? Zugegebenermaßen mag dies innerhalb einer Koalition als kleiner Partner nicht sonderlich einfach sein, allerdings dürfte es jeden, dem der Liberalismus am Herzen liegt, zum kotzen bringen, wenn die Liberalen liberale Prinzipien im eigenen Haus und ohne Not beerdigen.

Wieso tritt zur Wahl des Parteivorsitzenden nur Rösler an? Wieso "einigen" sich auf diese Kandidatur die Landesvorsitzenden und das Parteipräsidium? Sollen damit andere potentielle Kandidaten wie Daniel Bahr, Christian Lindner oder Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (mein Gott was für ein gräßlicher Name) aus dem Rennen gedrängt werden, bevor es beginnt? Haben die Landesvorsitzenden ihre Mitgliedschaft vor Ort eigentlich konsultiert, bevor sie sich von Oben herab in eine Entscheidung mischen, die die Parteitagsdelegierten zu treffen haben? Glaubt die FDP-Führung, dass ihre Mitgliedschaft zu dumm ist diese Entscheidung selbstständig zu fällen? Weshalb gibt es keine Urwahl der Mitgliedschaft, um diese Entscheidung zu treffen?

Ein Kandidat, friss oder stirb, zur wichtigsten innerparteilichen Wahl des Jahres? Ist das, das liberale Verständnis von Demokratie? Von Wettbewerb? Von Wahlfreiheit? Wieso praktiziert die FDP, die für diese liberalen Prinzipien doch angeblich in jeden Wahlkampf zieht, diese nicht im eigenen Haus, wo kein Koalitionspartner sie daran hindern könnte? Wer soll Figuren wie Rösler, Bahr, Lindner und Co noch ernst nehmen, wenn sie davon sprechen, dass die Deutschen mehr Mut zu Wettbewerb haben müssen, wenn diese Herren sich selbst nur trauen zu Wahlen anzutreten, die ihre Parteimogule vorher schon ausgekungelt haben und in denen es keine Konkurrenten gibt?
In den vergangenen Tagen war darüber spekuliert worden, dass Rösler an Brüderles Stelle das Wirtschaftsministerium übernehmen könnte. Auf diese Weise wäre er das eher unpopuläre Gesundheitsministerium losgeworden. Dafür hätte sich Rösler jedoch auf eine Kampfabstimmung gegen Brüderle einlassen müssen, der sein Ministerium unbedingt behalten will.
Rösler kandidiert bisher als einziger für den Parteivorsitz und scheinbar nur dank genügend Hinterzimmerunterstützung, traut sich allerdings nicht Wirtschaftsminister Brüderle anzugehen, um aus dem Tretminenfeld Gesundheitsministerium zu entkommen. Dass es vom Zustand der Innereien dieser Partei abhängt, wer gerade welcher Minister ist und damit praktisch das Vorschlags- und Entlassungsrecht des Bundeskanzlers für Minister ad absurdum geführt wird haben wir bereits an anderer Stelle besprochen.

Dass all dies inzwischen schon Normalität ist, kann man übrigens auch daran sehen, dass die FAZ den Begriff "Kampfabstimmung" gebraucht. Scheinbar ist jede Abstimmung über Personen zu der tatsächlich mehr als ein Kandidat antritt und deren Ausgang nicht schon vorher ausgekungelt wurde, eine "Kampfabstimmung", also ein Sonderfall zur normalen "Abstimmung" die bereits entschieden wurde, bevor sie überhaupt stattfindet. Man muss schon einen Neusprech-Duden verbrannt und den Rauch komplett inhaliert haben, um soetwas tatsächlich für Liberalismus zu halten.