Donnerstag, 22. Oktober 2009

Sturmgeschütz der Demokratischen Partei

Der Spiegel Online Artikel "Weißes Haus contra FOX-News" von Marc Pitzke ist bezeichnend für die Qualität der "Berichterstattung" über amerikanische Politik, die uns von unseren Medien zugemutet wird. Der Artikel behandelt die Kommunikationsdirektorin der Obama-Administration Annita Dunn und ihre Arbeit auf 2 Seiten. Dunn hatte vor kurzem in einem CNN-Interview den Nachrichtensender FOX-News scharf angegriffen und die Verweigerung von Interviews seitens des Weißen Hauses mit der Parteilichkeit des Senders zugunsten der Republikaner begründet. SpOn schreibt dazu:

Der angebliche Nachrichtenkanal sei nichts anderes als "die Rechercheabteilung" und "die Kommunikationsabteilung der republikanischen Partei", polterte Dunn. Es sei "wirklich kein News-Network", zumindest kein "legitimes".
Danach wird die Reaktion des Senders beschrieben, seiner Moderatoren und Kommentatoren, worauf ein Abschnitt über Dunns Karriere in amerikanischen Wahlkämpfen folgt. Auf Seite 2 des Artikels werden im ersten Teil die Familienverhältnisse geschildert, bevor sich der Autor wieder dem Konflikt mit FOX widmet:
"Ob man Fox News mag oder nicht, wir alle in der Presse sollten besorgt sein, wenn die Regierung versucht, einen News-Sender für seine Haltung zu 'bestrafen'", schrieb TV-Kritiker David Zurawik in der "Baltimore Sun".

Ich halte es durchaus für bemerkenswert, dass SpOn als Web-Version des Spiegels, vor dem Hintergrund der Geschichte dieses Hauses, seelenruhig berichtet wie eine Regierungsvertreterin öffentlich anfängt zwischen "richtigen" und "legitimen" Nachrichtensendern und denen die dies scheinbar nicht sind zu unterscheiden und seitens des Autors nicht nur keine eigene Kritik laut wird, sondern man sich noch eine Seite, mehrere Abschnitte gedulden muß, damit der Spiegel die Kritik anderer, unbeteiligter Journalisten im Hinblick auf das Verhältnis von Pressefreiheit und Regierung zitiert.

Darauf folgt vor allem politische Berichterstattung die qualitativ über den Status von Halbwahrheiten nicht hinauskommt:

So half Fox News letztlich mit, die turbulenten "Tea Parties" und chaotischen "Bürgerproteste" gegen die US-Regierung in diesem Sommer zu organisieren.

Dieser Vorwurf wird nicht einmal von den anderen (eher linken) Nachrichtensendern in den USA erhoben. Man kann mit einigem Recht sagen, dass FOX als die Teaparties aufkamen, diesen eine sehr positive teils sogar enthusiastische und parteiliche Berichterstattung zuteil werden ließ, aber FOX war keineswegs an der Organisation beteiligt, wie im Artikel behauptet wird. Bemerkenswert sind außerdem die Qualifikationen als turbulent oder chaotisch, vor dem Hintergrund der Tatsache, dass es auf diesen Teaparties im Gegensatz zu Antiglobalisierungsprotesten nicht ein einziges mal zur Anwendung von Gewalt gegen Sachen oder Personen kam.

Interessant ist auch, dass in deutschen Medien häufig die parteiliche Berichterstattung von FOX zum Thema gemacht wird, während man die Peinlichkeiten die CNN-Reporter sich auf diesen Veranstaltungen leisten, wohl nicht weiter kritikwürdig sind. Nicht nur wurde der herabwürdigende Begriff "teabagging" und "teabaggers", der eigentlich eine sexuelle Praxis beschreibt, die auf den männlichen Hodensack Anwendung findet, vom CNN-Moderator Anderson Cooper im Hinblick auf die Teilnehmer des Protests geprägt, welcher sofort Eingang in die Propaganda der Demokraten fand, sondern CNN schickte auch diese Dame zu den Protesten, weil CNN ja ein "richtiger" und "legitimer", weil unparteiischer Nachrichtensender ist:


Weiter im SpOn-Text:
Jetzt ist Dunn das Ziel des Senders. Jeden Tag spielt Fox News einen wild aus dem Zusammenhang gerissenen Videoclip von ihr. In einem missglückten Versuch, ironisch zu sein, nennt sie als ihre "politischen Lieblingsphilosophen" Mao Zedong und Mutter Teresa.

Hier fährt SpOn einfach die Kommunikationslinie des Weißen Hauses, ohne zu hinterfragen und bietet nicht einmal den angeblich aus dem Zusammenhang gerissenen (wie tut man dies eigentlich "wild"??) Videoclip an, um dem Leser die Möglichkeit zu geben selbst zu beurteilen, ob das Zitat der Scherz war oder nur der Hinweis auf die Merkwürdigkeit der Paarung dieser beiden "Philosophen". Übrigens: Wenn der Versuch ironisch zu sein mißglückt war, woher wußte der Autor dann, dass es sich um einen solchen handelte und wenn der Clip den Zusammenhang wirklich nicht adäquat wiedergibt, weshalb stellt der Autor ihn dann nicht korrigierend wieder her? Der Clip findet sich unter folgendem Link:


Weißt du, wer mein politischer Lieblingsphilosoph ist? Adolf Hitler!", ätzte Glenn Beck, der tränenselige Kampfprediger vom Dienst bei Fox News.

Wahrscheinlich der Tiefpunkt des Schmierenartikels, der dem Leser, den Zusammenhang nicht kennend da SpOn den Clip nicht zur Verfügung stellt, andeuten soll, Beck wäre tatsächlich ein Anhänger Hitlers, während Beck, im Hinblick auf die Millionen von Menschen für deren Tod Mao verantwortlich ist, in Wahrheit einen hypothetischen Vergleich zu Dunn anstellt:

"Das wäre, als wenn ich sagen würde: Weißt du, wer mein politischer Lieblingsphilosoph ist? Adolf Hitler!"

Dieses Zitat und der Zusammenhang in dem es auftaucht, verändern den Inhalt in der Tat gewaltig und es ist schon einigermaßen ironisch Beck vorzuwerfen, er würde Dunns Zitate verfälschend ("wild") aus dem Zusammenhang reißen und dann in genau dieser Manier mit Beck zu verfahren.

Weiter gehts:

Dass das Mao-Zitat auf den republikanischen Strategen Lee Atwater zurückgeht, verschwieg Beck.

Dazu muß man sagen, dass auch dies Teil der Verteidigungslinie des Weißen Hauses ist, die SpOn einfach als Tatsache übernimmt. Das Problem, dass der Lieblingsphilosoph der Kommunikationsdirektorin Obamas ein millionenfacher Massenmörder ist, ist allerdings nicht dadurch gelöst, dass sie ein bestimmtes Zitat, das in diesem Fall letztlich ein Allgemeinplatz ist, bei einem Republikaner aufgeschnappt hat. Irgendwas sagt mir, dass er Mao zwar zitiert haben mag, er ihn aber mit Sicherheit nicht als seinen "Lieblingsphilosophen" bezeichnen würde. Aber solche Feinheiten und Wortklaubereien, die typisch für Politikerdementis und -distanzierungen sind, die sucht Pitzke höchstens an anderer Stelle.

Man mag von FOX halten was man will, auch ich bin bei diesem Sender nicht kritiklos, aber die von SpOn in diesem Schmierenartikel zitierten Leute wie Bill O'Reilly, Sean Hannity und Glenn Beck sind Bestandteil des journalistischen Bereichs "Kommentar" und nicht Teil der Berichterstattung. Dies machen die genannten Moderatoren selbst deutlich und ist in den USA allgemein bekannt. Im Gegensatz dazu läßt SpOn-Autor Marc Pitzke die politische Ansicht, die in einen Kommentar gehört, in einen Artikel einfließen, der wohl Berichterstattung darstellen soll und stellt im Rahmen dieses Schmierenstücks die Kommunikationslinie des Weißen Hauses 1zu1 als Tatsache dar.

Der Spiegel: Vom "Sturmgeschütz der Demokratie" zum "Sturmgeschütz der Demokratischen Partei".

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