Donnerstag, 17. März 2011

"Konservatismus" im Tagesspiegel

Malte Lehming nimmt sich heute im Tagesspiegel der traurigen Situation des Konservatismus  in Deutschland an. Nun sollte man nicht zuviel erwarten, wenn im Tagesspiegel zu diesem Thema geschrieben wird

Sie erwarten schließlich nicht von jemandem der Blind geboren wurde, dass er sich zu einem herausragenden Kunstkritiker entwickelt.

Bis vor knapp einer Woche blieb den Konservativen als letztes Unterscheidungsmerkmal zum rot- grünen Mainstream die Verlängerung der Laufzeiten für Kernkraftwerke. Doch auch damit ist es nun vorbei. Ob aus Taktik oder Überzeugung: 25 Jahre nach Tschernobyl hat die Atomtechnik endgültig jene Unschuld verloren, die sie nie hatte. Künftig wird nur noch über Geschwindigkeiten des Ausstiegs gestritten werden.
Wenn das einzige Unterscheidungsmerkmal lediglich eine "Verlängerung der Laufzeit" war, ist das nicht auch ein Streit um die "Geschwindigkeit des Ausstiegs"? Alles was die Kanzlerin jetzt getan hat, ist die CDU Zeitpläne den rot-grünen anzugleichen. Das wars, aber das ist eben eine Geschwindigkeitsdebatte, die der linken Journaille lieber ist, eben näher an den eigenen Positionen. Mit Norbert Rötgen ist ein Mann zum Umweltminister und daraufhin zum Vorsitzenden der CDU NRWs gewählt worden, der seit seinem Amtsantritt durch die Republik zieht und die Atomkraft als "Auslaufmodell" bezeichnet. Was heißt denn das anderes, als dass die Union letztlich schon seit 2009 den Ausstieg wollte, wenn auch in einem anderen Zeitrahmen? Oder unterstellt der Tagesspiegel der Union etwa, dass geplant war neue Meiler zu bauen? Können Sie sich auch nicht vorstellen, oder? Da würde man den Christdemokraten viel zu viel Rückgrat unterstellen und das hat nun wirklich keiner von denen verdient.

Lehming entstellt den eigentlichen, politischen Zusammenhang in einer unappetitlichen Mischung aus linkem Aktivismus und bundesrepublikanischer Parteistaatsdenke. Dieses Zitat ist bezeichnend:
...blieb den Konservativen als letztes Unterscheidungsmerkmal zum rot- grünen Mainstream...
Wieso vergleicht Herr Lehming hier eigentlich die Anhängerschaft von Parteien (SPD und Grünen) mit der Anhängerschaft einer politischen Idee. Oder anders gefragt: Wieso glaubt Lehming, dass die Entscheidung einer Bundesregierung, einer Parteivorsitzenden oder auch einer ganzen Partei, den Anhängern einer Idee ein Unterscheidungsmerkmal raubt? Ist das Konrad-Adenauer-Haus oder ist das Bundeskanzler-Amt der Vatikan des deutschen Konservatismus und die Kanzlerin und Parteivorsitzende soetwas wie eine ex cathedra sprechende Päpstin?
George W. Bush trieb ihnen mit dem Irakkrieg ihre feste transatlantische Bindung aus. Die Lust auf Wirtschaftsreformen verging ihnen nach dem miserablen Bundestagswahlergebnis 2005. Der Glaube an den Markt verdorrte infolge der Finanz- und Wirtschaftskrise. Der religiöse Halt wurde durch die Missbrauchsskandale unterminiert. Die Wehrpflicht schafften sie selbst ab. Die Überzeugung, dass der Euro stabil sei, bröckelt spätestens seit dem Griechenland-Debakel. Das traditionelle Familienbild (Frau, Mann, Kinder) wird selbst durchs Kabinett nicht mehr repräsentiert. Die christliche Tradition ergänzt der eigene Bundespräsident mit Hinweis auf den Islam. Und die bürgerlichen Tugenden? Verabschieden sich mit Karl-Theodor zu Guttenberg.
Wen meint Herr Lehming hier mit "ihnen"? Ganz offensichtlich die CDU und CDU-Mitglieder, eine Organisation und ihre Anhänger, die im Rahmen von Wahlen Mehrheiten nachjagen und dementsprechend öfter als nicht ihre Positionen wechseln. Die CDU kann durchaus im Rahmen einer Wirtschaftskrise antikapitalistischere Positionen einnehmen und trotzdem die CDU bleiben, aber inwiefern ist ein Konservativer noch ein Konservativer, wenn er die von Herrn Lehming oben aufgeführten Dinge aufgibt? Die CDU wird in diesem Fall weniger konservativ, aber ist das etwa neu?

Die Wahrheit ist, dass die CDU schon lange nicht mehr für Konservative interessant ist und dies programmatisch auch deutlich benennt: Die Partei definiert sich als "Partei der Mitte" und nicht als "rechte Partei", "konservative Partei" oder gar nur zaghaft als "Mitte-Rechts Partei" und dementsprechend machen die Christdemokraten eben auch Politik. Hat sie in ihrem programmatischen Mobiliar noch einige wenige Positionen übrig, die denen von Konservativen noch am nächsten kommen, verglichen mit den anderen Parteien? Ja, aber das heißt letztlich auch nur, das dünnste Kind im Fett-Camp zu sein. Und wenn die Christdemokraten dann unehrlicherweise versuchen ihre "konservativen Wurzeln" (Zahnwurzeln?) zu betonen, endet es doch meist eher peinlich und unglaubwürdig.

Der Konservatismus hat hierzulande keine parteiliche Vertretung. Es gibt keine intelligente Option zwischen dem widerwärtigen, rassistischen Faschismus von DVU und NPD und dem rückgratlosen und linksdriftenden Mittetum der Unionsparteien. Die Identifikation des Konservatismus mit der Union dient einerseits der besseren Mobilisierung des linken Milieus gegen den angeblich reaktionären politischen Gegner und andererseits dazu, der Union die Beweislast des "nicht-konservativ-Seins" aufzudrücken, der die Union dann regelmäßig nachkommt, indem sie sich laufend den linken Glaubenssätzen des Tages anpasst. 

Die Folge ist, dass die Union im Laufe der Zeit immer weniger konservativ wird und die Kapitulation in der Atomkraftfrage, die bereits vor Jahren stattgefunden hat, hat mit diesem Phänomen wesentlich mehr zu tun, als mit Erdbeben und Reaktorunfällen in Japan, auch wenn linke Parteien und Journaille diese vorbildlich genutzt haben, um den Vollzug zu beschleunigen.    

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