Dienstag, 28. September 2010

Ein Kontrapunkt zum gesunden Menschenverstand

Eigentlich wird auf diesem Blog eher beklagt, dass linke Meinungsmache in die Berichterstattung der MSM einfließt. Wenn man sich dann jedoch die eigentlichen Kommentare ansieht, die die deutsche Journaille produziert, wünscht man sich fast, sie würden ihre Meinungen wieder hinter einem Berg selektiver Fakten verstecken.

Der gestrige Beitrag von Stephan-Andreas Casdorff zur  "neue(n) Meinungskolumne ... Kontrapunkt" auf Tagesspiegel.de ist dafür ein gutes Beispiel. Die Unterschlagzeile verspricht:

Stephan-Andreas Casdorff erklärt, weshalb die Regierung jetzt ernst macht und Konservativismus nicht mitfühlend ist.
Wer jetzt eine ideengeschichtliche Abhandlung über Konservatismus, Konservatismus in Deutschland und wie sich die Arbeit der Bundesregierung zu dieser Ideologie verhält, erwartet, wird selbstverständlich vom Tagesspiegel enttäuscht. In lediglich 4 recht kurzen Absätzen produziert Casdorff nichts anderes als ein Schriftstück, das ebenso gut als Presse-Erklärung des Willy Brandt Hauses hätte durchgehen können.

Dass die Regierung jetzt ernst macht und konservativ wird erkennt Casdorff daran, dass sie Schluß mit dem konsensualen Regierungsstil macht. Die Regierung Merkel wird...

...konservativ, in einem Sinne, den sich vorher so keiner wirklich vorgestellt hat.
Nachdem er das Ableben des konsensualen Regierungsstils bedauert und feststellt, dass dieser doch den meisten gefalle, erklärt Casdorff im nächsten Absatz an welcher politischen Maßnahme er dies eigentlich fest macht:

Erst die Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke, vor der noch nicht einmal seriös geprüft wurde, ob es vielleicht auch ohne geht; außerdem eine Verlängerung ohne die Bundesländer, ohne deren Zustimmung, im Kern also gegen sie. Mal sehen, was demnächst das Bundesverfassungsgericht dazu sagt. Bis dahin aber können sich die Konzerne freuen, auf Milliarden und gute Worte der Kanzlerin. Die übrigens in der CDU gerne die Vorsitzende der Mittelstandsvereinigung geworden wäre, nur weiß das kaum noch einer. Vielleicht kommt ihr Handeln jetzt auch aus diesem Denken? Wer weiß das schon.
Mal ganz davon abgesehen, dass es für den linken Groschenschreiber schon per se verdächtig ist, Mitglied einer Mittelstandsvereinigung zu sein, muss sich selbst ein nur sporadischer Beobachter der deutschen Politik fragen: Von was für einem Konsens redet Casdorff da eigentlich? Der Atomausstieg ist in der deutschen Politik strittig, seit die rot-grüne Regierung ihn mit der Energie-Industrie verhandelte. Hat Casdorff die Schröder-Truppe damals auch ermahnt nicht mit dem konsensualen Geist der Bundesrepublik zu brechen, sprich etwas nicht zu verabschieden mit dem das bürgerliche Lager in der Bundesrepublik nicht einverstanden ist? Ich habe da erhebliche Zweifel.

Man sollte angesichts dieser typischen Heuchelei der linken Journaille nochmals erwähnen, dass die Merkel-Regierung am eigentlichen Konsens über der Atomausstieg festhält, auch wenn sie dessen zeitlichen Rahmen verändert. Während in den USA sogar die Obama Administration den Bau neuer Atomkraftwerke finanziert und China und Indien neue Reaktoren bauen, sprechen CDU Minister in Deutschland davon, dass die Atomenergie ein "Auslaufmodell" ist. Aber das die Regierung sich in der Energiepolitik links von Obama bewegt, hilft ihr keinesfalls bei ihren Obama verehrenden Kritikern, für diese bleibt die Regierung "konservativ".

Und "in einem Sinne, den sich vorher so keiner vorgestellt hat"? Lesen würde sogar Herrn Casdorff bilden und Leser des Tagesspiegels können von einem politischen Journalisten wohl erwarten, dass er die Programme der Parteien wenigstens ansatzweise kennt. In diesem Fall könnte dies sogar die begrenzte Vorstellungskraft des Herrn Casdorff erweitern. Die Laufzeitverlängerung orientiert sich schlichtweg an den Positionen des CDU Wahlprogramms aus dem Juni 2009, das auf Seite 25 klar formuliert:

Daher streben wir eine Laufzeitverlängerung der sicheren deutschen Anlagen an. Einen Neubau von Kernkraftwerken lehnen wir ab.
Was Casdorff also eigentlich von der Bundesregierung verlangt, wenn er von Konsens spricht, ist, dass sie den linken Parteien einen unsichtbaren Sitz am Kabinettstisch einräumen soll, inklusive Veto. Die linke Journaille erwartet nichts anderes, als dass die Bundesregierung sich zu 100% den politischen Positionen der deutschen linken unterwirft, im Namen des konsensualen Miteinanders. Wäre ja auch zu furchtbar, wenn die Demokratie in der Bundesrepublik Deutschland dem Bürger tatsächlich Alternativen anbieten würde, verschiedenen politische Positionen, zwischen denen er dann auswählen kann. Oder stellen sie sich vor, dass solche Positionen dann am Ende noch Mehrheiten bekommen könnten, was in diesem Fall im Jahre 2009 ja auch geschah. 

Nein, die mickrigste Abweichung vom linkslastigen Konsens der politischen Eliten in der Bundesrepublik macht einen bereits zum Konservativen und läßt die deutsche Journaille Gift und Galle speien. Selbst der moderaten, kompromißlerischen Mitte-Kanzlerin wird vorgeworfen sie sei "konservativ", was für Carsdorff scheinbar eher ein abqualifizierendes Urteil ist, als eine Positionsbeschreibung. Sie ist nicht nur konservativ, fast reaktionär, sondern sie "radikalisiert die Gesellschaft". Die gute Frau Merkel ist und schafft dies mit der CDU trotz der Tatsache, dass diese...

...selbst nicht mehr weiß, wer oder was sie ist, konservativ oder liberal oder moderat;
War nicht der entscheidende Punkt des Herrn Casdorff, dass Merkel und die CDU harte, konservative Ideologen sind? Und jetzt wissen sie dies auf einmal nicht mehr? Ein konsequent ideologisches Programm umgesetzt von ideologischen Schlafwandlern, die eigentlich nicht wissen, dass sie unterwegs sind? Casdorff kann scheinbar kein gutes Haar am politischen Gegner lassen, er kann ihm nicht mal Anerkennung für programmatische Konsistenz gewähren, auch wenn sein Vorwurf im gleichen Augenblick der ist, nicht von der puristischen programmatischen Agenda lassen zu können.

Der letzte Absatz ist nur noch eine Ansammlung abgeschmackter, leerer Sätze:

So werkelt, merkelt die Regierung weiter, gibt der Industrie, was der Industrie nicht ist, und verteilt jetzt in einer Weise, dass es junkerhaft wirkt, ein Almosen von fünf Euro an Hartz-Empfänger. Nicht 20, nicht zehn – ganze fünf Euro!
Klar, wer könnte besser entscheiden als Herr Casdorff vom Tagesspiegel was der Industrie zusteht? Zu schade, dass die DDR untergegangen ist, denn in Herrn Casdorff ist ihr ein wirklich begabter Planwirtschaftler entgangen. Und es ist nicht die Tatsache, dass Menschen im allgemeinen in der Sozialhilfe abhängig sind vom Politiker und vom Staat wie der Leibeigene vom Junker, sondern dass die Erhöhung dieser Hilfe nicht das von Casdorff gewünscht ausmaß erreicht. Also was die Merkel Regierung neben ihrer Energiepolitik noch zu harten konservativen Ideologen macht ist die Tatsache, dass Hartz4 nicht stark genug angehoben wurde. Es wird nicht davon gesprochen, Sozialleistungen zu kürzen und gar gänzlich abzuschaffen, sondern sogar davon sie in Zeiten horrender Schuldenberge, aus dem Ruder laufender Defizite und dem immer noch nicht erfüllten Versprechen von Steuersenkungen,  zu erhöhen. Konservative sind scheinbar auch nicht mehr was sie mal waren. 

Bei den nächsten Sätzen erlangt man endgültig den Eindruck, dass Casdorff den Verstand verloren hat:

Mit dieser Kanzlerin, die so ganz anders sozialisiert ist. Und an die Kinder denken sie nicht. Empathie ist auch nur ein Fremdwort. Darum gibt es hierzulande auch keinen mitfühlenden Konservativismus. Aber Harmonie im Regierungsbündnis. Nur hier draußen, da werden die Stimmen schriller.
Es gibt hierzulande keinen "mitfühlenden Konservatismus", weil Empathie ein Fremdwort ist? Leiden CDUler unter Dudenmangel? Oder wegen der "ganz anderen" Sozialisierung der Bundeskanzlerin? Klar, der norddeutsche Protestantismus ist ja auch als Hort der Reaktion bekannt. Oder meint er die rücksichtslose Leistungsgesellschaft der DDR? An die Kinder wird nicht gedacht? Gerade bei Hartz4 für Familien gibt es doch die größten Verwerfungen. Die Familiensätze, sind im Gegensatz zu den Einzelsätzen, so großzügig bemessen, dass Familien mit mehreren Kindern auf Einkommensgrößen kommen können, die so mancher arbeitende Bürger nach Steuern und Abgaben mit seinem Stundenlohn nicht erreicht. 

Und der letzte Satz ist einfach nur noch zum lachen. "hier draußen"? Klar, niemand ist volksnäher, als ein Redaktions-Insasse des berliner Tagesspiegels, wie Herr Casdorff. Vielleicht sollte er hin und wieder mal aus Berlin rauskommen, um Leuten zu begegnen die seine großzügige Vorstellung von Hartz4 Erhöhungen im Falle des Falles durch ihre Steuern bezahlen müssten. Mal schauen wie "mitfühlend" er diesen Bürgern gegenüber ist. Oder sie ihm gegenüber.

Dieser Artikel hat trotz der Ankündigungen in der Unterschlagzeile das Verhalten der Bundesregierung oder die Bedeutung des Mitgefühls für den Konservatismus keinesfalls erklärt, aber er ist ein wunderbares Beispiel dafür, wie angeblich neutrale Journalisten als Wächter des linkslastigen politischen Konsenses der Bundesrepublik fungieren und welche Methoden sie dafür einzusetzen bereit sind.     

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