Donnerstag, 23. September 2010

Die Obama Administration und der Krieg in Afghanistan (+Update)

Die Wahl Barack Obamas zum Präsidenten der Vereinigten Staaten jährt sich im November zum zweiten mal und nach fast 2 Jahren Präsidentschaft ist es an der Zeit, dass Journalist und White House Dauergast Bob Woodward (ja der Bob Woodward der seinerzeit mit Carl Bernstein die Watergate-Affäre aufdeckte) ein neues Buch veröffentlicht. Woodwards Bücher sind den jeweils amtierenden Präsidenten in Kriegszeiten gewidmet und sollen dem Leser ermöglichen, aus der Insiderperspektive zu erfahren wie die jeweilige amerikanische Administration und ihre einzelnen Fraktionen den Krieg führen.

Wie bereits erwähnt, wurde es Zeit für ein solches Buch über Barack Obama und entsprechend wird es am 27. September unter dem Titel "Obamas Wars" veröffentlicht. Im Gegensatz zu seinen letzten Büchern, über die Christopher Hitchens bemerkte sie seien langweilige Produkte der typischen Woodward'schen Stenographie, scheint Woodwards neustes Buch tatsächlich zur Kontroverse zu taugen.


In einem Artikel der Washington Post über "Obamas Wars" wird das Bild einer Sicherheitspolitisch zerrissenen Administration gezeichnet:

Obama is shown at odds with his uniformed military commanders, particularly Adm. Mike Mullen, the chairman of the Joint Chiefs of Staff, and Gen. David H. Petraeus, head of U.S. Central Command during the 2009 strategy review and now the top U.S. and NATO commander in Afghanistan.
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Tensions often turned personal. National security adviser James L. Jones privately referred to Obama's political aides as "the water bugs," the "Politburo," the "Mafia," or the "campaign set." Petraeus, who felt shut out by the new administration, told an aide that he considered the president's senior adviser David Axelrod to be "a complete spin doctor."
Und was ist der große Konflikt, der Obama und seine politischen Berater so sehr von den Sicherheitspolitikern und den verantwortlichen Generälen entfremdet?

Obama rejected the military's request for 40,000 troops as part of an expansive mission that had no foreseeable end. "I'm not doing 10 years," he told Secretary of Defense Robert M. Gates and Secretary of State Hillary Rodham Clinton at a meeting on Oct. 26, 2009. "I'm not doing long-term nation-building. I am not spending a trillion dollars."
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According to Woodward's meeting-by-meeting, memo-by-memo account of the 2009 Afghan strategy review, the president avoided talk of victory as he described his objectives. "This needs to be a plan about how we're going to hand it off and get out of Afghanistan," Obama is quoted...
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Obama kept asking for "an exit plan" to go along with any further troop commitment, and is shown growing increasingly frustrated with the military hierarchy for not providing one.
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In the end, Obama essentially designed his own strategy for the 30,000 troops, which some aides considered a compromise between the military command's request for 40,000 and Biden's relentless efforts to limit the escalation to 20,000 as part of a "hybrid option" that he had developed with Gen. James E. Cartwright, the vice chairman of the Joint Chiefs of Staff.
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The document - a copy of which is reprinted in the book - took the unusual step of stating, along with the strategy's objectives, what the military was not supposed to do.
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After Obama informed the military of his decision, Woodward writes, the Pentagon kept trying to reopen the decision, peppering the White House with new questions. Obama, in exasperation, reacted by asking, "Why do we keep having these meetings?" Along with Gen. Stanley A. McChrystal, the top U.S. commander in Afghanistan at the time, they kept pushing for their 40,000-troop option as part of a broad counterinsurgency plan along the lines of what Petraeus had developed for Iraq.
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Petraeus took Obama's decision as a personal repudiation, Woodward writes. Petraeus continued to believe that a "protect-the-Afghan-people" counterinsurgency was the best plan.
In Deutschland weniger bekannt, da die deutschen Medien beschlossen den damaligen Kandidaten als Friedensfürsten darzustellen, sind die Positionen Obamas zur Sicherheitspolitik aus dem Wahlkampf 2008. Zum Beispiel schrieb der damalige Kandidat im Juli 2008 einen Artikel für die New York Times in dem er erklärte, was er in Wahlkampfreden Land auf, Land ab stetig wiederholte:

Unlike Senator John McCain, I opposed the war in Iraq before it began ... I believed it was a grave mistake to allow ourselves to be distracted from the fight against Al Qaeda and the Taliban...
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Ending the war is essential to meeting our broader strategic goals, starting in Afghanistan and Pakistan, where the Taliban is resurgent and Al Qaeda has a safe haven.
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As Adm. Mike Mullen, the chairman of the Joint Chiefs of Staff, recently pointed out, we won’t have sufficient resources to finish the job in Afghanistan until we reduce our commitment to Iraq.
Dass der Kampf gegen Al'Qaeda in Afghanistan geführt werden muss, war laut Obama der entscheidende Grund sich aus dem Irak zurückzuziehen. Das Militär sei überfordert und man brauche die Ressourcen in Afghanistan. Die Lage in Afghanistan wurde in den letzten Jahren in der Tat kritischer und nun da seine Generäle jene Ressourcen einfordern um "den Job in Afghanistan zu beenden", die er durch den Rückzug aus dem Irak genau dafür einsparen wollte, schaltet der Präsident der Vereinigten Staaten auf stur.


Leider hat Präsident Obama was Urteile über Truppenerhöhungen und die notwendige Ausdauer im Kampf gegen jihadistische Gruppen anbelangt kein gutes Händchen. War er doch bereits als Senator einer der lautesten Kritiker der Truppenaufstockung, jener "Surge" und der "Counterinsurgency" Strategie mir denen General Petraeus die katastrophalen und blutigen Verhältnisse, die 2005-2007 im Irak herrschten, in den Griff bekam. O-Ton Obama:

"We cannot impose a military solution on what has effectively become a civil war. And until we acknowledge that reality, uh, we can send 15,000 more troops; 20,000 more troops; 30,000 more troops. Uh, I don’t know any, uh, expert on the region or any military officer that I’ve spoken to, uh, privately that believes that that is gonna make a substantial difference on the situation on the ground."
Er lag falsch. In einer ähnlichen Situation, konfrontiert mit dem gleichen Personal, insbesondere mit General Petraeus, weigert sich Obama wieder dem Ratschlag von Menschen zu vertrauen, die im Gegensatz zu ihm, der niemals im Militär gedient hat und auch nie durch besonderes Interesse an Sicherheitspolitik auffiel, diesen Dingen ihr Leben gewidmet haben. Entsprechend beschloss er mit der, laut General Petraeus unzureichenden, Truppenaufstockung auch eine "exit-strategy", also den Abzug nach 2 Jahren:

"In 2010, we will not be having a conversation about how to do more. I will not want to hear, 'We're doing fine, Mr. President, but we'd be better if we just do more.' We're not going to be having a conversation about how to change [the mission] . . . unless we're talking about how to draw down faster than anticipated in 2011."
Dies heißt natürlich nichts anderes, als dass die Taliban sich nur 2 Jahre, von 2009 bis 2011 auszuruhen brauchen, um dann ungestört ab 2012 Afghanistan wieder übernehmen zu können. Was bringt einen angeblich so intelligenten Präsidenten dazu so offensichtliche Fakten zu ignorieren? Vermutlich die Tatsache, dass er 2012 zur Wiederwahl antritt. Aber das können wir ihn nach Woodward selbst bestätigen lassen:

“I have two years with the public on this”
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...he set a withdrawal timetable because, “I can’t lose the whole Democratic Party.”
Zusammengefasst bedeutet dies letztlich, dass er sehr wohl weiß, was die Konsequenzen des Zeitlimits sein können, ihm aber seine politischen Ziele, seine Aussicht auf Wiederwahl und die Einheit seiner Partei wichtiger sind. Und dies von jenem Kandidaten, der gewählt wurde, weil er wie keiner zuvor Überparteilichkeit, die Überwindung von Redstate-America und Bluestate-America zum Mittelpunkt seiner Wahlkampagne machte.


Das letzte mal als die Taliban an der Macht waren und Al'Quaeda freie Hand gewährten kostete dies 3000 Bürger der USA das Leben und man kann durchaus generalisieren, dass Präsident Obama glaubt, dass die Anwedung militärischer Gewalt nicht zwingend notwendig ist, selbst wenn die Taliban noch eine Bedrohung darstellen. Bedeutet dies auch, dass die Anwendung militärischer Gewalt gegen die Taliban von vornherein ein Fehler war? Dass der Afghanistan-Krieg an sich ein Fehler war? Dass er die Alternative Irak-Afghanistan im Wahlkampf nur aufbaute, um nicht als sicherheitspolitische Lusche zu gelten? Bedeutet dies, dass Obama zehntausende Soldaten 2 Jahre lang einen Krieg hat kämpfen und in diesem sterben lässt, von dem er meint, er müsste sofort beendet werden und das aus reinem politischen Kalül? Dies würde das folgende Zitat Obamas jedenfalls erklären:

"We can absorb a terrorist attack. We'll do everything we can to prevent it, but even a 9/11, even the biggest attack ever . . . we absorbed it and we are stronger."
Ich denke man übersetzt das Wort "absorb" an dieser Stelle mit "verkraften". Wenn man bedenkt, dass Obama es nicht für erforderlich hält gegen die heute noch aktiven Taliban, als Mitverantwortliche der Anschläge vom 11ten September, militärisch vorzugehen, davon spricht, dass solche Anschläge für die USA verkraftbar seien und meint, dass die Interventionen unter Bush die USA eher geschwächt hätten , kann man mit Recht davon ausgehen, dass Präsident Obama wohl ausschließt auf Terroranschläge, selbst auf großdimensionierte und von feindlichen Staaten unterstützte, nochmals mit militärischer Gewalt zu reagieren. Gibt es eigentlich einen Weg Jihadis und andere Terroristen und die Staaten die sie stützen noch wirkungsvoller zu Anschlägen zu motivieren, als ihnen von vorn herein deutlich zu machen, dass die Strafe ausbleibt?


Was bedeutet dies für die Deutschen? An dieser Stelle muss man sich leider als Bürger der Bundesrepublik fragen, ob ein Präsident, der nicht gewillt ist das Militär einzusetzen, wenn es um den Tod seiner eigenen Landleute geht, zum Nuklearschirm stehen kann, der letztlich vorsieht, dass die USA sich zum Ziel eines nuklearen Gegenschlags machen, indem sie einen Erstschlag gegen deutsche Städte wie einen nuklearen Angriff auf sich selbst behandeln, heißt mit Nuklearwaffen antworten. Die USA sind unter der jetzigen Administration leider keine verlässlichen Verbündeten und es wird höchste Zeit für eine eigenständigere Sicherheitspolitik.
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Update 25.09.2010: Ich erinnerte mich heute an einen der Schlüsselsätze John McCains zum Irakkrieg, als er die damals zutiefst unpopuläre Surge unterstützte: "I'd rather lose an election than lose a war".

Dank Woodward wissen wir heute, dass McCains Berater Scheunemann recht behalten sollte, als er 2008 von Obama behauptete, dieser würde lieber einen Krieg verlieren als einen Wahlkampf. Ein echter Patriot eben.

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