Donnerstag, 23. September 2010

Obama und die deutschen Medien

Ich habe mir überlegt, ob ich diesen Text als kurzes Update zu "Die Obama-Administration und der Krieg in Afghanistan" schreibe, dachte mir dann jedoch, dass der Artikel zum Woodward Buch auf Spiegel Online so außerirdisch ist, dass er einen eigenen kleinen Text verdient. Eigentlich ist "Enthüller-Legende Woodward stellt Obama bloß" nicht mal etwas besonderes, da die ideologisch verklärte Berichterstattung über US-Politik bei der deutschen Journallie uralte und gepflegte Tradition ist. Ob beim Staatsfernsehen, beim Spiegel, bei Springer, der TaZ oder selbst der FAZ, wenn es um Amerika geht wird gelogen, verschwiegen, beschönigt und falsch informiert, dass sich die Balken biegen. Das ist nicht erst seit Obama so, hat sich durch den amtierenden US-Präsidenten allerdings verschärft.

 Als Hillary Clinton am Ende der Vorwahlen im Juni 2008 schließlich aufgab und feststand, dass Obama der Präsidentschaftskandidat der Demokraten werden würde feierte das deutsche Staatsfernsehen mit. Phoennix ließ (und ich nehme an die Prozession wurde dann bei "Heute" und "Tagesschau" wiederholt) alles was in der deutschen Provinz außenpolitische Bedeutung hatte vor die Kameras treten, der Journalist stellte ein paar kurze Fragen und der Politiker hatte die Möglichkeit selbst noch etwas Bedeutungsschwangeres an diesem historischen Tag loszuwerden. 

Unter den Erkundigungen die für Phoenix eingeholt wurden war auch die Frage, ob man Barack Obama denn schon einmal gesprochen habe. Angefangen beim Außenminister, über seinen Staatssekretär, die beide im vorletzten Jahr noch Sozialdemokraten waren, bis hin zu den außenpolitischen Sprechern der Fraktionen mussten alle die Frage verneinen. Was in diesem Zusammenhang von keinem Journalisten erläutert wurde, war die Tatsache, dass dies doch eigentlich recht merkwürdig war, war Obama doch im Senat Vorsitzender des Unterausschusses für Europäische Angelegenheiten. Nicht weniger merkwürdig ist es, dass von keiner Seite darauf hingewiesen wurde, dass Senator Obama die Außenpolitik der Bush Administration stetig dafür geißelte, dass sie die traditionellen Verbündeten der USA vergraueln würde. Abgesehen davon, dass man auch von deutscher Seite vermutlich von jemandem der im US-Senat mit "europäischen Angelegenheiten" befasst ist erwarten kann, dass er sich auch mit Deutschland als bevölkerungsreichstem Land Europas befasst, gilt dies wohl schon lange für jemanden, der in Debatten diagnostiziert, das Bündnis mit den Europäern stecke in der Krise.  

Selbstverständlich wiesen die deutschen Medien auf solche Dinge nicht hin und so kam Obama bei hypothetischen Sonntagsfragen auf satte Mehrheiten von 75% gegen 11% für einen McCain, der es sich seit Jahren zur angewohnheit machte jährlich nach Deutschland, zur Münchener Sicherheitskonferenz zu reisen und den hierzulande jeder aktive Außenpolitiker kennt, sowie bekannte Fossilien wie Scholl-Latour und Altkanzler Schmidt. Aber wieso sollte ein Bürger der Bundesrepublik auch einem amerikanischen Politiker den Vorzug geben, der sich um die Interessenvertreter der Deutschen bemüht, wenn man stattdessen einen Politiker feiern kann, der dies nicht tat, obwohl es zu seinem Job gehört hätte und wieso sollten die deutschen Medien darauf hinweisen?

In diese Tradition der "Berichterstattung" gehört auch der Spiegel-Artikel über das Woodward Buch. Keine Rede ist von Obamas früheren Positionen, keine Rede davon, dass er den amerikanischen Bürgern noch im Wahlkampf versuchte einzuschräfen wie wichtig der Krieg in Afghanistan sei. Spiegel Online reduziert den politischen Zündstoff des Woodward Buches darauf, dass es für Obama angeblich umgemein peinlich sein soll, dass die Spannungen und Zickereien zwischen seinen Beratern, Ministern und dem Militär durch Woodward an die Öffentlichkeit gelangten. Das Obama 30.000 Mann in einen Krieg schickt und für diesen im Wahlkampf wirbt, obwohl er ihn für so unverantwortlich hält, dass er ihn am liebsten morgen beenden würde, wird ebenso wenig thematisiert, wie die Ansicht des Präsidenten man könne Terroranschläge schon "verkraften", eine Formulierung, die in den USA zurecht die Frage danach aufwirft welchen Stellenwert das Leben des einzelnen amerikanischen Bürgers, dessen Schutz ihm anvertraut ist, für den Commander in Chief hat.

Spiegel Online erwähnt zwar Obamas "I cant lose the entire democratic party" Zitat, wie auch seine "I have two years with the public on this" Äußerung, macht aber keinesfalls deutlich, dass der US-Präsident die Planung der  potentiel tödlichen Einsätze amerikanischer Soldaten praktisch den Erfordernissen seiner Wahlkampgne und den Befindlichkeiten des durchgeknallten Teils seiner Basis unterordnet und die Frist für den Einsatz so legt, dass sie noch vor seiner Kampagne zur Wiederwahl endet.

Stattdessen schreibt der Spiegel beschönigend Obama sei ein "zögerlicher Kriegspräsident" und suggeriert, dass er eigentlich ein getriebener der Öffentlichen Meinung sei. Beides ist falsch. Die amerikanische Öffentlicheit wäre sicherlich bereit, den Afghanistan Krieg weithin zu unterstützen, wie Obamas eigene Wahlkampagne ja deutlich machte. Obamas Partei jedoch ist da weniger enthusiatisch. Zögerlich und unentschlossen ist Obama auch keineswegs, sondern weiß sehr genau wie weit er den Falken und dem Militär entgegenkommen kann und muss, um nicht als sicherheitspolitischer Softie zu gelten und wo er dabei die Grenze zieht, um für die "anti-war-movement" noch wählbar zu sein.

Dies alles macht sehr deutlich was Obama eigentlich ist, nämlich ein ziemlich windiger, gewissenlos kalkulierender Karrierist, der seinem eigenen Wort keine große Bedeutung beimißt und es deshalb am laufenden Band mit erstaunlicher Kaltschnäuzigkeit bricht. Aber man sollte nicht erwarten, dass die deutschen Medien diese Offensichtlichkeiten berichten, selbst dann nicht, wenn sie über das Silbertablett schreiben, auf dem Bob Woodward ihnen diese serviert.     

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